Power Naked Bikes von BMW, Ducati, KTM und Triumph | MOTORRADonline.de

2022-09-16 21:25:30 By : Ms. Bernice Lau

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Triumph überarbeitete die Speed Triple kräftig. Im Test tritt sie gegen die Power Naked Bikes BMW S 1000 R, Ducati Streetfighter V4 S und KTM 1290 Super Duke R an.

Triumph Speed Triple 1200 RS – das letzte Update verschafft ihr mehr Hubraum, dazu noch mehr Leistung und weniger Gewicht. Zum Vergleichsfeld für diesen Test zählt die neue S 1000 R von BMW. Als einziger klassischer Reihen-Vierzylinder im Power-Umfeld hat sie nun zwar den neuen, von der S 1000 RR abgeleiteten Motor. Der muss aber ohne Shift-Cam auskommen und leistet in der R wie zuletzt 165 PS. Da die BMW aber jüngst ein paar Kilos verlor und ein neues Chassis bekam, geht sie dennoch gestärkt in den Power-Naked-Bike-Vergleich. Dort gesellen sich zu Speed Triple 1200 RS und BMW S 1000 R die Ducati Streetfighter V4 S und die KTM 1290 Super Duke R. Alles heiße Eisen im Kampf um die Krone unter den Naked Bike-Granaten. Warum keine Aprilia dabei ist, stellt sich manch einer womöglich die Frage? Weil Noale die neue 1100er-Tuono nicht pünktlich liefern konnte.

Nüchterne Zahlen bieten viel Diskussionsstoff. Bestes Beispiel dafür sind die Leistungsdaten der Motorräder. Mit 208 PS plättet die Ducati alles, düpiert KTM (180 PS), Triumph (180 PS) und BMW (165 PS). Ende der Ansage. Wer allein die Werte auf dem Papier zulässt, lehnt sich nun siegesgewiss zurück und merkt gar nicht, wie die drei anderen Naked Bikes der Streetfighter bis 100 km/h zeigen, was wirklich flott ist. Viel Top-Leistung bedeutet eben nicht gleichzeitig beste Spurt-Performance. Die Krux dabei: Bei allen Vieren zählt weniger die reine Power, die ihre Motoren auf die Kurbelwelle stemmen, sondern was davon noch vom Hinterreifen auf den Straßen­belag übertragen werden kann. Entweder dreht’s die Walze im Heck rauchend durch, was umgehend die Traktionskontrollen auf den Plan ruft, oder die Vorderräder steigen grüßend gen Himmel. Hinzu kommt: Gerade bei der auf dem Papier kraftstrotzenden Ducati liefert der V4 serienmäßig nur selten die volle Kraft Richtung 200er-Pneu. Eine gang­selektive Drosselung lässt in den Gängen eins und zwei viele, in den Gängen drei und vier einige der 208 Cavalli gar nicht erst antraben.

Dank Ride-by-Wire, IMUs und viel Elek­tronik heißt es eben nur noch selten: Wer rechts voll öffnet, reißt auch die Drosselklappen komplett auf. Die Fahrzeugelek­tronik überwacht bei allem das Geschehen, greift automatisch ein, wenn Gaswunsch und Umsetzbarkeit nicht zueinanderpassen. Das bedeutet: Am Stammtisch gewinnst du mit der Duc, auf der Straße ledern dich die anderen vor allem im legalen Bereich meist ab, wenn du auf der Streetfighter sitzt.

Es sein denn, die kurz übersetzte Streetfighter darf permanent jubeln. Einen, besser noch zwei Gänge tiefer als die anderen bewegt, spielt ihre Power-Kastration weniger eine Rolle. Oder ihr sechster Gang ist drin. Der kennt kein Limit, weshalb die Italienerin beim Durchzug die Spurt-Scharte wieder auswetzt. Trotzdem: Eine 1.100er wie eine 600er-Drehorgel zu fahren, mutet merkwürdig an. Vor allem, wenn man zum nächsten Extremmotor dieses Vergleichs wechselt, dem der 1290 ­Super Duke R. Der Twin liefert immer die große Newtonmeter-Keule ans Hinterrad, steigt ab dem Stand mit guten 100 Nm ein und legt dann kontinuierlich bis zum Spitzenwert von 140 Nm zu. Spürbare Leistungseinschränkungen trägt die KTM nicht nach draußen, vielmehr marschiert sie immer wie ein Bulldozer mit Dragster-Motor los. Klar, auch sie müht sich redlich, ihren ­Power-Überschwang auf den Boden zu bekommen – bei keiner steigt das Vorderrad so vehement und leicht. Es bleibt trotzdem dabei: In diesem Vergleich mimt sie das mit Kraftfutter vollgeladene Ste­roid-Monster. Besonders im normalen Fahralltag, also jenseits der vollen Beschleunigung, liefert ihr V2 bei jedem Zupfer am Gasgriff so viel Schmalz, dass es Freude pur ist, mit der KTM im zweiten Gang aus den Ecken zu stürmen. Das Zugkraftdiagramm auf Seite 33 untermauert das eindrucksvoll (hier geht's zum Heftdownload mit allen Diagrammen und Messwerten).

Aber kein Licht ohne Schatten: Weil die KTM mit ihrem 1.301 Kubik großen Motor fünfstellige Drehzahlen meidet und trotzdem 270 km/h rennt, fällt ihr sechster Gang sehr lang aus. Tolle Durchzugswerte verhagelt das nach unseren Meßmethoden. Selbst die Hubraumschwächste des Vergleichs, die BMW mit ihrem 999-Kubik-Vierling, bügelt daher die Super Duke in dieser Disziplin. Wobei der BMW-Motor insgesamt das Beste aus seinen vier Zylindern herauskitzelt, trotz Leistungs- und Hubraum-Nachteil nirgendwo wirklich hinter den anderen liegt. Bei den Vibrationen zeigt er ­ihnen dafür, wie man die Rückspiegel richtig zum Schwingen bringt. Während die BMW mit hohen Frequenzen gerade in den Händen schon mal nervt, schüttelt der V4 der Duc seinen Passagier eher mit tiefem Gebrumm durch. Die KTM rüttelt dafür nur bei ganz niedrigen Drehzahlen merklich, ansonsten läuft sie trotz V2-Konfiguration und viel Kubik richtig rund.

Bei der Gasannahme geht der BMW-Vierzylinder fein und berechenbar zu Werke, ebenso wie die KTM. Die Duc und die Triumph bekommen das nicht ganz so geschmeidig hin. Ansonsten muss man einfach sagen: Der Triumph-Drilling ist ein Motor-Musterknabe. Leistung, Manieren – alles da. Und weil Triumph darauf verzichtet, die Speed Triple 1200 RS schneller rennen zu lassen, als es die Nackenmuskeln ohne Scheibe mitmachen, begrenzen die Engländer gleich ihren Topspeed, weshalb sie nicht wie die Super Duke in die Übersetzungsfalle tappt. Damit wäre alles für eine top Performance unter dem Gesichtspunkt Motor angerichtet, sogar Blipper und Getriebe geben sich in der T freundlich handzahm, während beispielsweise der BMW-Schaltautomat im Testverlauf immer höhere Bedienkräfte forderte. T also top? Wäre da nicht das Startverhalten. Komplett Keyless-Go ausgerüstet, wollte die Engländerin offensichtlich oft gar nicht erst zum Test antreten. Mal hing der Kupplungsschalter, mal streikte die Kommunikation zwischen Schlüssel und Motorrad. Die Folge – Stillstand. Dennoch: Wenn er läuft, ist der 1200er ein großer Wurf, kann viel und verbraucht wie BMW und KTM wenig. Ganz im Gegensatz zur Ducati, die sich auf der Verbrauchsrunde dagegen als Spritvernichtungsmaschine entpuppt.

Damit seien die Motoren abgehakt. Bei den Fahrwerken herrscht mehr Einigkeit. Wer katzenartig-sanftes Abtasten des Untergrunds erwartet, sollte die vier ignorieren. Mit ihrem mannigfaltig einstellbaren, semiaktiven Öhlins-Fahrwerk bekommt das die Duc noch am besten hin, kann sogar Komfort. Der Rest der Bande mag’s eher hart. Das bekommen die Fahrer ab, besonders auf der KTM. Dass deren Federbein seit dem letzten Update über eine Umlenkung verfügt, hat nur wenig an seinem mauen Ansprechverhalten geändert. Auch das Losbrechmoment der Triumph-Gabel dürfte gerne geringer ausfallen, ­allerdings ist der Einstellbereich ihrer Öhlins-Komponenten so groß, dass sie gesoftet schlechte Landstraßen ertragbar machen. Wobei die Triumph insgesamt richtig gut auf der Straße liegt, satt und geerdet um jeden Radius zieht. Trotzdem heimst die dickste Lobhudelei am Ende die BMW ein. Ihre Zusatzausstattung mit piekfeinen Karbonrädern beschert ihr eine federleichte Handlichkeit bei bester Stabilität. So klappt sie mühelos und faszinierend spielerisch ins Eck. Ein teurer Handling-Traum, schließlich kosten die edlen Rundlinge allein fast 3.500 Euro!

Wer sich noch fragt, warum immer mehr Leistungshungrige von Supersportlern zu starken Naked Bikes wechseln, findet hier die Antwort: bequeme Sitzpositionen. Einzig die BMW zwingt dem Fahrer mit tiefem Lenker und hohen Rasten eine sportliche Haltung auf, beim Rest herrscht eitel Sitz-Sonnenschein, tauglich fürs pausenbefreite Auskosten der kompletten Reichweite. Dass die vier das Thema Alltag dick auf dem Zettel haben, verdeutlichen Ausstattung und Assistenzsysteme. Kurven-ABS- und -TC gehören bei allen zum guten Ton, ebenso Konnektivitätssysteme, die das Koppeln des eigenen Smart­phones mit den TFT-Displays ermög­lichen. Auch Tempomaten für flotte Autobahnreiseabschnitte sind Usus – außer bei der Streetfighter. Die BMW bietet daneben noch eine Berganfahrhilfe sowie ­einen Notrufassistenten – gegen Aufpreis.

Selbst fürs flotte Kringeln bringt das Quartett ideale Zutaten mit. Eigene Fahrmodi mit entsprechend hinterlegten Werten fürs Heizen auf der Piste gibt es bei ­allen, die Option, Fahrmodi mit individuellen Parametern für TC und Co. zu hinter­legen, ebenso – bis hin zur Launch-­Kontrolle für den besten aller Rennstarts. Flotte Runden auf dem Track oder spaßige Turns auf der Straße machen auch die Bremsen anstandslos mit – egal, ob die rechte Hand zu einer Axialpumpe wie bei der BMW oder feiner Radialware wie bei Ducati, KTM und Triumph greift. Bei der Engländerin ist sogar eine verstellbare Bremshebelanlenkung mit an Bord. So viel Ausstattung und Performance kostet natürlich. Als Sonderangebot geht keine der vier durch, wobei zumindest die Triumph in der Testausstattung für knapp 18.000 Euro zu haben ist, während die anderen, so wie sie zum Test antraten, gut 19.000 Euro und mehr kosten.

Die wichtigsten Punkte im direkten Vergleich dieser vier Power-Bolzen sind erzählt. Wer gewinnt nun das Herz des potenziellen Käufers? Als Entscheidungshilfe rücken die Charaktere jedes Bikes nun noch einmal kompakt und einzeln ins Scheinwerferlicht. Spot an für den Detailblick auf Fabrikation, Funktion, Faszination und Fun-Faktor.

Der Bayern-Vierer. Griaß di, BMW, gibt es etwas, was du auf dem Parkett der flotten Landstraßenrunde nicht beherrschst? Wohl kaum. Auch wenn du in deiner neuesten Evolutionsstufe auf den ganz heißen Vierzylinder deiner Supersportler-Schwester S 1000 RR genau wie aufs verstellbare Nockenwellensystem Shift-Cam verzichten musst, Leistung ist immer da. Die servierst du so mustergültig und lastwechselfrei, dass der beherzte Dreh am Griff rechts problemlos gelingt. Mühelos fetzt deine digitale Drehzahlanzeige auf dem TFT-Display nach oben, bis bei 11.000/min deine vollen 165 PS anliegen. Damit reicht’s in diesem Umfeld zwar nur zum letzten Platz unter den Power-Fetischisten, aber egal. Was zählt, ist schließlich auf der Straße. Und dort müssen die ganzen Pferde erst einmal so verlustfrei wie möglich ankommen.

Damit das gelingt, setzt du auf eine ziemlich kompromisslose Sitzposition. Weit gespreizt zieht dein Dragbar-Lenker Arme und Oberkörper übers Vorderrad, maximiert der enge Kniewinkel die Spannung der Beine wirkungsvoll. So als Pilot auf dem Bike fixiert, bleibt der Pneu vorn zuverlässig unten, liegst du bei Sprint und Durchzug immer im Umfeld der Konkurrenz. Dass bei dieser Sitzhaltung auf Dauer aber besonders die Beine nach Entspannung verlangen, sei angesichts deines fulminanten und feinfühlig dosierbaren Vorwärtsdrangs verziehen. Genau wie deine fast unfaire Ausstattungspolitik. Neben den üblichen Extras haben sie dir in München wie deiner Race-Schwester S 1000 RR ein M-Paket auf den zierlichen Leib geschneidert. Darin enthalten bei weit geöffnetem Portemonnaie: ein Satz Karbonfelgen. Die drücken dein Gewicht auf federleichte 200 kg und verhelfen dir zu einem Handling wie vom anderen Naked-Bike-Stern. Besonders in Wechselkurven stiehlst du allen die Show, bretterst auf der engsten Linie mit geringstem Krafteinsatz von links nach rechts und zurück. Der Einsatz dafür? Allein 3.490 Euro. Ob es das wert ist? Keine Ahnung. Geht’s allein um die Funktion, rocken die Kohlefaser-Teile aber. Wie alles an dir, wenn allein Punkte und bestmögliche, unkomplizierte Performance zählen. Für manche ist das Kick genug, andere wünschen sich mehr Emotion, mehr Reibungsfläche.

Italienischer Rabauke. Ciao, Ducati, so böse wie du schaut keine Zweite drein. Bei deinem Motor muss das wohl so sein. Wie bei der nackten BMW stammst auch du von einem Supersportler ab, basiert dein V-Motor auf dem V4-Panigale-Antrieb. Der verlor von seinen 214 Cavalli beim Transfer in dein Rahmenkorsett zwar ein paar PS, deine 208 heißen Pferde, die bei 12.750/min die Erde beben lassen, sind aber im Reigen der potenten Nackten eine fette Ansage. Und die weißt du auch zu nutzen: Dreimal unter drei Sekunden bei den Durchzugswerten – da ist die Champagner-Siegerdusche garantiert. Ganz so lässig gibt’s diese Topwerte aber nicht. Im Sechsten das Gas auf volle Brause stellen, gelingt zwar easy, wenn du aber aus dem Stand antreten sollst, sieht’s schon anders aus.

In Bologna hatten sie offenbar kein bedingungsloses Zutrauen in dich und das Können deines Fahrers. Die unteren Gänge kastrierten sie einfach mit der Brechstange. Volle Power beim Spurt? Fehlanzeige! Dabei wäre alles dafür so perfekt vorbereitet. Tief geduckt hinterm Lenker, der wie bei den alten Streetfighter-Modellen vor den Gabelholmen liegt, spannst du den Pilotenrücken wie einen Flitzebogen Richtung Vorderrad. Überraschend bequem ruhen dabei die Füße dank entspannten Kniewinkels auf den Rasten – und jetzt auf die Brause. Untenrum will dein V4 dabei nicht so richtig. Erst wenn dein Drehzahlmesser die Hintergrundbeleuchtung auf dem TFT von Weiß auf Rot-Orange wechselt, begeistert du mit purem Sturm und Drang. Sobald 6.000/min passiert sind, oder besser noch 8.000 Umdrehungen, schnellt dein Puls in die Höhe – und der deines Fahrers. Eine 1100er, die im 600er-Style bewegt werden will. Bei alledem vertreibt dein Motor schon im Keim Ansätze von Harmonie und feinsten Sitten. Für dich zählt nur Leistung. Und der Weg dahin, ob rappelig, unwirsch und ziemlich laut, ist dir allenfalls ein selbstbewusstes Grinsen deiner LED-Tagfahrlichter wert. Selbst wenn dein Fahrwerk fast schon überraschend geschmeidig zu Werke geht, neben Härte auch softe Ansprüche fürs Landstraßenleben kennt – du polarisierst. Love it or hate it. So viel Konsequenz verdient Respekt. Deine Peitschenhiebe schmerzen – oder machen süchtig.

Austria-Dampfhammer. Servus, KTM, dein Chef soll einmal gesagt haben, dass ein 200-PS-Superbike nicht auf öffentliche Straßen ­gehört. Seine Absage an einen RC8-Nachfolger mit Kennzeichen. Orange Vermisstenanzeigen hat deswegen niemand aufgegeben, schließlich gibt es ja dich, ein 180-PS-Naked-Bike! Schlaue Marketingstrategen tauften dich "Beast", dabei vermeidest du auf den ers­ten Blick und im gemütlichen Rolltempo jeglichen hinterhältigen Ansatz. Vielmehr begeistert dein Ergonomie-Programm. Vielfach verstellbarer Lenker, Fußrasten, die sich über Langlöcher vor- und zurückschieben lassen, dazu ein Sitzarrangement, das ohne Wenn und Aber als bequem durchgeht. Selbst deine weit bis vor die Gabel heruntergezogenen Tankflanken und das Layout deines im vorderen Teil breit ausgeformten Spritfasses stören nie. An den richtigen Stellen hast du eben auf ergonomischen Formenbau gesetzt, damit die Knie sich eng Richtung Gitterrohr schmiegen können.

Früher oder später passiert es aber doch. Zweiter Gang und volle Lotte das Gas aufgerissen. Wie eine wilde Raubkatze, die man mit einem glühenden Holzscheit am Hintern triezt, katapultierst du dich nach vorn, schiebt dein Motor ungehemmt Drehmomentberge von der Größe des Himalaja-Massivs Richtung Hinterrad. Die Elektronik regelt sich einen Wolf, und trotzdem ziehst du deinem Piloten die Arme lang, machst ihn für einen Moment vom Fahrer zum Passagier. Will man dich auf ein Bauteil reduzieren, ist das fraglos dein V2-Motor. Dabei weißt du stellenweise gar nicht, wohin mit deiner ungehemmten Kraft. Du hebst beim Spurt das Vorderrad wild gen Himmel. Zwar geil, aber eben nicht schnell. Und beim Durchzug verhagelt dir dein langer sechster Gang Bestwerte. Erst rappelt’s bei tiefen Drehzahlen gehörig, und dann fehlt dir genau da die Power, wo sie jetzt nötig wäre. Aber 270 km/h, die könntest du trotz schmalen Drehzahlbands rennen, wenn die Nackenmuskulatur deines Fahrers stabil genug ausfällt. Dass bei alledem dein Fahrwerk nur Gourmet-Straßen mag – egal. Deinen Charakter dominiert dein Motor. Abrissbirnig, ungestüm, wild, anstrengend, dabei leise. Ein Glas voll mit purem Adrenalin. Jeder zu große Schluck eine Mischung aus Grenzbereich und Ekstase.

Union Jack gefastet. Hello Triumph, du Evergreen in diesem Segment. Anfang der 90er des letzten Jahrtausends hast du erstmals kräftig an den Eckpfeilern der Definition von potenten Naked Bikes gerüttelt. Ab 1997 führtest du mit der T509 in deiner Familie den charakteristischen Doppelscheinwerfer ein, der auch bei deiner aktuellen Version noch stilprägend ist. Dazwischen passierte einiges mehr. Besonders der letzte Schritt zum 2021er-Modell war ein riesiger. Die Zutaten, die deine Mütter und Väter dafür in Hinkley wählten, sind altbekannt, doch weise wie zielführend: Gewicht merklich runter, Leistung deutlich rauf. Wie bei der BMW hält der Zeiger der Waage nun auch bei dir bei der Zahl 200. Dein zarter Hubraumaufschlag von 1.050 auf 1.160 Kubik hievt deinen Elan auf beachtliche 180 Pferde bei 10.750/min an. Das sind 30 kräftige Horses mehr, die dein neues Dreizylinder-Herz, das allein sieben Kilo leichter als zuvor ausfallen soll, nun mobilisiert.

Doch wie bis dato auch schon bleibst du dir auch 2021 treu. Dein Dreizylinder, dieser mächtige Kraftwürfel, feuert dich zwar flott voran und beschert dir famose Durchzugswerte, er agiert dabei aber im positiven Sinn ohne Extreme, begeistert mit Schliff und Umgangsformen. Dass du trotzdem in bester Race-Manier ums Eck wischst, wie der Test auf dem Handlingparcours zeigt (S. 30), untermauert dabei deine Stärke. Du lieferst, wenn es darauf ankommt. Ein Wesensmerkmal, das man dir vielleicht nicht sofort ansieht, das aber fest in deiner DNA verankert ist; ein Fakt, den deine Überarbeitung zur 1200 RS nochmals wirkungsvoll stärkte.

Dein wichtigster Baustein dafür: Du verzichtest auf Kompromisse, setzt nur auf Edelkomponenten wie bei deinem Öhlins-Fahrwerk. Bis aufs Ansprechverhalten der Gabel ein Feedback-Wahnsinn. Deine Sitzposition mit dem breiteren Lenker, dem schmaler ausgeführten Tank und der neu geformten Bank definiert Naked-Bike-Standard. Da passt alles für akrobatische Turnübungen oder lässig-kommodes Gleiten. Beides beherrscht du aus dem Effeff. Nur beim Starten mit dem Keyless-Go-Schlüssel, da sollten deine englischen Schöpfer auf der Insel noch einmal die Entwicklerköpfe zusammenstecken.

Aber das Beste an dir: Du setzt nicht auf das eine Highlight, das dich auszeichnet, sondern bei dir formen die einzelnen Teile ein fulminantes Ganzes. Motor, Fahrwerk, Ausstattung und besonders deine unverkennbare Formensprache prägen deine Persönlichkeit. Du durftest lange reifen und bist nun besser denn je. We salute you!

1. Platz: BMW S 1000 R. Wer ein schnelles, potentes Naked Bike für alle Gelegenheiten mit sportlicher Sitzhaltung sucht, wird bei der BMW fündig. Kann alles und mehr. Kostet mit den ganzen und guten Extras aber auch eine Menge.

2. Platz: KTM 1290 Super Duke R. Ihr Motor ist wie geschaffen für Landstraßenspaß, liefert genau da Power, wo sie nötig ist. Ein kerniges Motorrad, das auch im Alltag besteht, dessen Fahrwerk aber nicht auf dem Niveau der anderen arbeitet.

2. Platz: Triumph Speed Triple 1200 RS. Am Ende reicht’s für die Triumph nur zum zweiten Rang. Macht aber nichts, weil die Speedy unterm Strich auch ohne optionale Extras richtig viele Punkte sammelt – und das zum günstigsten Anschaffungspreis.

3. Platz: Ducati Streetfighter V4 S. Das radikalste Motorrad. Gleichzeitig schnell und doch nicht – und vor allem teuer. Zum hohen Anschaffungspreis kommt ein unzeitgemäßer Verbrauch, der auch die Reichweite schmälert. Enthusiasten-Gerät.

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